Programm

Hier finden Sie das Programm für unsere dreitägige Tagung, die am Donnerstag in der Monacensia im Hildebrandhaus und an den anderen beiden Tagen im Kulturzentrum LUISE stattgefunden haben. Die Tagung ist bilingual in Deutsch und Englisch, die Sprache der jeweiligen Veranstaltung ist markiert.

Donnerstag, 23.11.2023

Veranstaltungsort: Monacensia im Hildebrandhaus

AB 13:30

Check-In

15:00 UHR

Kick-Off: Begrüßung und Eröffnung der Tagung [EN]

Agnieszka Balcerzak, Birgit Erbe, Alexandra Rau, Miriam Gutekunst

Grußwort von Irene Götz, München
Grußwort von Sybille Keicher, München

15:45 UHR

Keynote: Decolonizing Gender and Sexuality [EN]

Paola Bacchetta, Berkeley

Der Vortrag beschäftigt sich im ersten Teil mit der kolonialen und global-kapitalistischen Durchsetzung dominanter Konzepte des globalen Nordens von Gender und Sexualität im globalen Süden. Im zweiten Teil geht es um hegemoniale und subalterne Definitionen und Praktiken in Bezug auf Gender und Sexualität, die heute weit verbreitet sind. Schließlich werden im dritten Abschnitt aktuelle Bewegungen und Aktivismen zur Dekolonisierung von Gender und Sexualität diskutiert, wobei der Fokus auf einigen queeren aktivistischen Gruppen und Bewegungen – in Frankreich, England, Marokko und Uganda – liegt, die Teil des Decolonizing Sexualities Network sind.

16:45 UHR

Pause

17:00 UHR

Podiumsdiskussion: Gender Matters in Social Movements: A Conversation at the Interface of Academia and Activism [EN]

Moderation: Miriam Gutekunst, München

Im Rahmen dieses Podiums wollen wir mit Wissenschaftler*innen ins Gespräch kommen, die zu unterschiedlichen sozialen Bewegungen forschen und teilweise auch in diese involviert sind. Dazu haben wir folgende Gäste eingeladen: Meryem Choukri (Warwick/Gießen) zu intersektionalem Feminismus und antirassistischen Bewegungen, Francis Seeck (Nürnberg) zu Kämpfen von trans und non-binären Personen, Mansoureh Shojaee (Den Haag) zur Revolution im Iran, Olga Shparaga (Wien/Minsk) zur Demokratiebewegung in Belarus und Manuela Zechner (Jena) zu Klimaprotesten und ökologischen Krisen. Dabei leiten uns folgende Fragen: Welche spezifische Rolle spielt Geschlecht in diesen Bewegungen? Inwieweit beziehen sich die Bewegungen aufeinander, wo liegen Parallelen und Unterschiede? Lässt sich die Beobachtung empirisch erhärten, dass Geschlecht eine zentrale Kategorie sozialer Bewegungen der Gegenwart geworden ist? Was ist tatsächlich neu und was hat sich verändert? Vor dem Hintergrund des politischen Engagements der Podiumsgäste wollen wir auch darüber sprechen, wie sie mit dem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Aktivismus umgehen.

19:00 UHR

Empfang

20:30 UHR

Konzert: Seféria, München

Freitag, 24.11.2023

Veranstaltungsort: Kulturzentrum Luise

AB 9:00 UHR

Check-In

9:30 UHR

Keynote: Saving the Children, Dismantling Democracy: Anti-Genderism and Illiberalism [EN]

SAAL

Agnieszka Graff, Warschau

Angriffe gegen die „Gender-Ideologie“ spielen eine Schlüsselrolle im illiberalen Projekt der Dämonisierung des Liberalismus, indem sie ihn auf seine soziokulturelle Dimension reduzieren und politische Gräben kulturalisieren. Während die Ursprünge des Anti-Genderismus religiös sind, ist die Rolle der Religion in der illiberalen Anti-Gender-Politik oft instrumental. In diesem Vortrag wird untersucht, was mit „Widerstand gegen Gender“ gemeint ist und wie dieser Trend mit Kernmerkmalen der illiberalen Weltanschauung resoniert: ihrem Anti-Modernismus, Anti-Globalismus, Anti-Individualismus und Post-Postmodernismus. Belege für die Konvergenz zwischen Illiberalismus und Anti-Genderismus werden aus drei Ländern herangezogen: Polen, Ungarn und Spanien. In jedem Fall haben illiberale Kräfte die Anti-Gender-Rhetorik genutzt, um die Wählerschaft zu mobilisieren und die Opposition zu dämonisieren, indem sie sie als Bedrohung für Kinder und die Familie darstellen. Ich führe das Konzept der „opportunistischen Synergie“ ein, um die wachsende ideologische Affinität und die sich entwickelnde politische Zusammenarbeit zwischen religiösen Fundamentalist*innen, ultrakonservativen zivilgesellschaftlichen Akteuren und rechtsgerichteten Politiker*innen zu erfassen.

10:30 UHR

Pause

11:00 UHR

Parallele Panels

Panel 10: A Bleak Reality: Twenty-First Century and Afghan Women [EN]

RAUM 2

Moderation: Sara Pfau, München
Referierende: Freba Amarkhail, Hildesheim, und Fahima Ibrahimkhil, Hildesheim

Dieser Vortrag soll einen nuancierten und umfassenden Überblick über die Realitäten geben, mit denen afghanische Frauen in Afghanistan konfrontiert sind. Darüber hinaus soll Bewusstsein für die dringende Notwendigkeit einer anhaltenden globalen Aufmerksamkeit und gemeinsamer Anstrengungen geschaffen werden, um afghanische Frauen dabei zu unterstützen, ihre Rechte auf Bildung, Arbeit und soziale Freiheiten trotz der erschwerenden Umstände, denen sie ausgesetzt sind, einzufordern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Einschränkungen, die der Bildung von Mädchen auferlegt werden, auf den Restriktionen für Frauen in der Arbeitswelt und auf der Beschneidung sozialer Freiheiten. Im Anschluss an den Vortrag steht das Podium auch für eine moderierte Diskussion über eine umfassendere geschlechtersensible Perspektive auf die Situation in Afghanistan und Deutschland offen.

Workshop 1: „Klimaaktivistinnen im Kofferraum wegsperren“: Anti-Greta-Memes als antifeministische Konfliktabwehr [DE] [ABGESAGT]

Leitung: Johanna Maj Schmidt und Charlotte Höcker, Leipzig

Mit ihrem “Schulstreik für das Klima” hat die junge Aktivistin Greta Thunberg im Jahr 2018 eine Klimaschutz-Bewegung ins Rollen gebracht, die sich seitdem unter dem Hashtag #FridaysforFuture international organisiert. Als Gesicht der Bewegung geriet Greta schnell ins Kreuzfeuer extrem rechter Klima-Leugner*innen. Am Beispiel der Fülle an Memes, die sich auf die Klimaschutz-Aktivistin beziehen, gibt der Workshop zunächst einen Einblick in die politische Relevanz von Internet-Memes. Doch was genau stört extrem Rechte eigentlich an Greta Thunberg? In einem theoretischen Teil wollen wir die ideologischen Verbindungen zwischen Antifeminismus und Klima-Leugnung näher beleuchten. Misogyne Bilder, Angst und Hass auf Frauen, insbesondere in dem Moment ihrer Emanzipation aus bestimmten Geschlechterrollen, sind tief verankert in der abendländischen Kultur und Gesellschaft (Planert, 1998). Wenn das Geschlechterverhältnis als durch Kultur vermitteltes Naturverhältnis verstanden wird, kann der herrschaftstheoretischen Bedeutung der Kategorie Geschlecht als Platzanweiser in der Gesellschaft eine psychodynamische bzw. subjekttheoretische Annäherung beigestellt werden. Als solches dient Geschlecht und insbesondere das „Einsperren“ einer störrischen, emanzipatorischen und aufklärerischen Weiblichkeit der Abwehr von Konflikten. Greta Thunberg zeigt mit dem Finger auf die Klimakatastrophe und macht damit die zerstörerischen Folgen menschlichen Handelns im Kapitalismus bewusst. Sie zeigt die Begrenztheit der menschlichen Omnipotenz und sogar die Bedrohung ihrer Existenz auf. Auch weil es darum geht, diese schmerzhaften und bedrohlichen Bewusstwerdungsprozesse zu vermeiden, eignen sich die frauenfeindlichen Bilder der Aktivistin als Blitzableiter für diffuse Ängste und Aggressionen. Im praktischen Teil des Workshops werden die Teilnehmer*innen dazu eingeladen, mittels der psychoanalytisch sozialpsychologischen Interpretationsmethode nach Alfred Lorenzer (1986) gemeinsam ein Anti-Greta-Meme tiefenhermeneutisch zu analysieren.

13:00 UHR

Mittagspause

14:30 UHR

Parallele Formate

Roundtable 1: Different – Together: Intersectional Feminisms in Conversation [EN]

SAAL

Moderation: Ananya Mehra, München

Im Rahmen des Roundtables laden wir zu einer Diskussion über das Verhältnis zwischen Feminismus und Anti-Rassismus ein. Unsere Gäst*innen werden aus verschiedenen Perspektiven über ihr Verständnis von anti-rassistischem Feminismus sowie eigene Erfahrungen innerhalb feministischer Bewegungen sprechen. Wir werden diskutieren, ob und wie verschiedene Positionen in den politischen Kämpfen marginalisiert sind und wie diesen Herausforderungen begegnet werden soll. Ebenso werden wir die Grundlagen und Ziele eines antirassistischen Feminismus erörtern und Allianzen sowie potenzielle Gräben zwischen unterschiedlichen feministischen Strömungen und Aktivist*innen analysieren. Die Sichtbarkeit und Ausrichtung eines weißen Feminismus im deutschen Kontext wird kritisch beleuchtet, während wir auch die Verbindung zwischen lokalem Aktivismus und globalen feministischen Bewegungen untersuchen. Zudem steht das Verhältnis von Aktivismus und akademischem Wissen im Fokus, wobei die Wechselwirkungen und Herausforderungen zwischen Bewegungswissen und akademischem Wissen beleuchtet werden. Schließlich wollen wir auch die Rolle von Geschlechteridentitäten und Queerness in antirassistischen feministischen Diskursen thematisieren. 

Gäst*innen:
Carolina De la Portilla, München
Olga Plakhotnik, Greifswald/Charkiw
Sapir von Abel, München
Virginia Olivia Obiakor, München

Roundtable 2: The Female Face of Protest: Spotlight on Belarus [EN]

RAUM 3

Moderation: Agnieszka Balcerzak, München

Die Podiumsdiskussion wirft einen eingehenden Blick auf die Rolle von Frauen* in der Demokratiebewegung in Belarus. Die Teilnehmerinnen, Olga Shparaga (Wien/Minsk) und Yuliya Salauyova (Berlin), bieten eine reflektierte Analyse der Erfahrungen und Beobachtungen während dieser entscheidenden Phase des belarussischen Protests aus biographischer, aktivistischer und wissenschaftlicher Perspektive. Die Diskussion hat zum Ziel die Perspektive zu beleuchten, die Frauen* in der Bewegung eingenommen haben, und nach ihrer maßgeblichen Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen zu fragen.

Als Ausgangspunkt der Überlegungen dient die Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020, bei der der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen wurde. Doch diese Wahl war nur das jüngste Ereignis in der bewegten Geschichte des Landes, das letztendlich das Fass zum Überlaufen brachte. 1994 wurde Amtsinhaber Alexander Lukashenko bei den letzten als frei betrachteten Wahlen zum Präsidenten gewählt und ist bis heute der erste und einzige Präsident seit der Unabhängigkeit Belarus’ nach der Auflösung der Sowjetunion. Die autoritäre Regierung Lukashenkos veranlasste in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Einschränkungen der Pressefreiheit, Verbote von Kundgebungen und Verfolgung von Oppositionellen um jegliche Demokratiebestrebungen der belarussischen Gesellschaft im Keim zu ersticken.

Als besonderes Merkmal der 2020 ausgelösten Massensporte wird oft die führende Rolle der Frauen* betont. Im Zentrum steht deshalb die Frage nach der Herausforderung traditioneller Geschlechterrollen in einem autoritärem politischen Kontext sowie der Beitrag von Frauen* zur Umgestaltung politischer Landschaften. Die Diskussion beleuchtet die Vielschichtigkeit der weiblichen Teilnahme: von symbolischer Präsenz bis hin zu strategischer Planung, von den künstlerischen Gruppen über die Rolle der Oppositionsführerinnen bis zu den Frauenmärschen und der Gründung der FemGruppe als einer Form der politischen Vertretung der Frauen* in den neuen belarussischen prodemokratischen Strukturen.

Die Veranstaltung bietet Raum für einen tiefgreifenden Dialog über die Erfahrungen von Frauen* in einem politischen Umfeld, das von Umbruch und Unsicherheit geprägt ist. Es werden die Motivationen der Frauen* hinter ihrer aktiven Beteiligung sowie die Hürden erörtert, die sie überwinden müssen. Durch die Perspektiven der Teilnehmerinnen werden die oft übersehenen Facetten der weiblichen Beteiligung an politischen Protesten sichtbar gemacht. Gleichzeitig soll diese Perspektive helfen nicht nur die Aktivitäten der Frauen*, einschließlich der in den Gefängnissen in Belarus und in den belarussischen Diasporen weltweit, sichtbar zu machen und als einen Teil politischer Beteiligung zu verstehen, sondern auch ihre Vision eines demokratischen, pluralistischen und inklusiven Belarus der Zukunft zu entfalten. Die Diskussion nimmt sich abschließend vor, ein nuanciertes Verständnis der weiblichen Dimension des Protests zu bieten und gleichzeitig wichtige Fragen zur Zukunft der politischen Partizipation von Frauen* aufzuwerfen, in Belarus und darüber hinaus.

Doku-Screening von „The Sisters of Protest“ (34mag.net)

Lecture-Performance: Selbst-Schuld-Katapult: Eine künstlerische Auseinandersetzung mit weiblicher Altersarmut und Formen alltäglichen Widerstandes [DT]

RAUM 4

Altersarmut ist weiblich. 2021 lagen die durchschnittlichen bundesdeutschen Altersrentenzahlungen der Frauen (832 Euro 809 € West/ 1072 Ost) deutlich unter denen der Männern (1.218 € West/ 1.143 € Ost). Gründe für diese Ungleichheit sind u.a. ein geschlechtsspezifischer Arbeitsmarkt, das nach wie vor vorherrschende Male Breadwinner Model sowie der zunehmende Abbau des Sozialstaats. In Altersarmut zu leben bedeutet einerseits das Haushalten mit knappen Mittel. Altersarmut wirkt sich andererseits auch emotional auf die Betroffenen aus. Gefühle des Scheiterns, der Scham und Schuld, Zukunftsängste und Sorgen, Minderwertigkeitsgefühle, Einsamkeit oder auch Melancholie bezüglich verwehrter Zukunftsvorstellungen sind ebenso Folgeerscheinungen genannter struktureller Problemlagen, die sich den Individuen unter die Haut schreiben. Diese affektive Dimension von Altersarmutserfahrungen nimmt die Kulturwissenschaftlerin Dr. des. Alexandra Rau gemeinsam mit der Künstlerin Maria Berauer in Form einer Lecture Performance in den Blick. Ausgehend von Interviewmaterial das im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts „Prekärer Ruhestand“ (Leitung: Prof. Dr. Irene Götz) an der LMU erhoben wurde, erhalten Frauen aus unterschiedlichen Milieus eine Stimme. Wie fühlt sich Altersarmut für Betroffene an und welche Effekte haben diese Gefühle auf ihre alltäglichen Handlungsspielräume?

Anhand eines Zusammenspiels von ethnographischen Portraits, theoretischen Textfragmenten und künstlerischen Interventionen verdeutlicht die Lecture Performance nicht nur die strukturelle Seite weiblicher Altersarmut, sondern will diese auch körperlich erfahrbar machen. Darüber hinaus setzt sie sich auch mit kollektiven Handlungsperspektiven auseinander. Die Performance will damit nicht zuletzt auf mögliche Leerstellen sozialer Bewegungen verweisen, die sich entlang der Geschlechtskategorie aufspannen. So wird Weibliche Altersarmut im Kontext feministischer Bewegungen zwar durchaus als Querschnittsthema behandelt, doch dort sprechen vor allem Frauen, die Altersarmut als potentielles Zukunftsszenario anprangern. Das gegenwärtige altersarme Subjekt scheint in den öffentlichen Debatten relativ unsichtbar zu sein. Die Auseinandersetzung mit der affektiven Dimension weiblicher Altersarmut zeigt schließlich, dass eine Solidarisierung und politische Mobilisierung betroffener Frauen durch feldspezifische Gefühlslagen erschwert werden.

Die Portraits und Textfragmente werden dialogisch von der Autorin Alexandra Rau (München), der Schauspielerin Shirli Volk (München) und der Performerin Sara van der Weck (München) gelesen sowie von der Künstlerin Maria Berauer (München) körperlich-performativ inszeniert.

16:00 UHR

Kaffeepause

16:30 UHR

Parallele Panels und Workshops

Workshop 2: Feminismus braucht eine Stimme [DT & EN]

RAUM 4

Chorworkshop mit Pola Dobler und dem Witches of Westend Chor

FLINTA* sind dazu eingeladen gemeinsam mit dem Chor zu singen. Nach einem kurzen Einblick in die feministische Chorarbeit werden die Teilnehmenden zwei mehrstimmige Stücke einstudieren, die am Abend vor dem Tagungspublikum performt werden. Hierbei werden zum einen inhaltliche Impulse gesetzt und feministische Forderungen in Klang transformiert. Empowerment wird zum anderen auch körperlich und kreativ erfahrbar: Jede einzelne Stimme wird zu einem notwendigen Teil des großen Ganzen, es wird ein gemeinsamer Klangraum kreiert, der politisch bewegen will.

Keine Vorkenntnisse erforderlich.

18:30 UHR

Abendessen//Singperformance

20:00 UHR

Konzert: Voltadinga, München

SAAL

Samstag, 25.11.2023

Veranstaltungsort: Kulturzentrum Luise

AB 9:30 UHR

Check-In

10:00 UHR

Keynote: Masculinities, Politics, and Nations in the Spotlight: A Story of Revival or Crisis? [EN]

SAAL

Begonya Enguix-Grau, Barcelona

Geschlecht und Nation sind zwei mächtige Systeme sozialer Klassifikation, die Ausrichtung und Identifikation, Ausschluss und Distanz erzeugen. Wir alle verstehen ihre Relevanz für die soziale Organisation, einschließlich Familie, Arbeit und Staat. Allerdings ist die Nation „die am wenigsten theorisierte und anerkannte der intersektionalen Kategorien“ (Puar, 2013: 377).

Die Idee und Konstruktion der Nation impliziert spezifische Vorstellungen von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ (Yuval Davis, 1997). „Echte“ Männer wurden traditionell als (militarisierte) Verteidiger der Nation dargestellt, während Frauen als biologische und kulturelle Reproduzentinnen der Nation angesehen wurden (Slootsmaecker, 2019; Yuval Davis, 1997). Der politische Körper, die mittelalterliche Metapher, die einen Staat, eine Nation oder eine andere Kollektivität (eine Kirche, eine Gesellschaft) mit einem männlichen biologischen Körper gleichsetzt, hat immer auf einen männlichen biologischen Körper verwiesen (Gatens, 1996).

Die Verbindung von Männern zur Politik und zu Nationen war oft unsichtbar und wurde als natürlich/normal/die Norm angesehen. Im Jahr 1983 diskutierte Hartsock „abstrakte Männlichkeit“ (1983), und 1985 verwendete Dyer die „Luft“ als Metapher für die unbemerkte, aber dennoch mächtige Präsenz männlicher Standards überall.

In diesem Vortrag werde ich die Verbindungen von Männern, Männlichkeiten, Politik und Nationen untersuchen, ausgehend von den Konzepten der Verkörperung, der Performance und der Resonanz, um (männliche) Körper als mächtig, bedeutungsvoll und überflutet zu analysieren. Es scheint, dass wir heute eine „politische Wiederbelebung des Maskulinismus“ (Mellström, 2016: 135) erleben, die mit dem Ethnonationalismus, aber auch mit der Vorstellung von der verletzten Anspruchsberechtigung der Männer (Kimmel, 2017) und ihrer Viktimisierung durch feministische Agenden verbunden ist. Die Vorstellungen von einer Wiederbelebung und einer Krise der Männlichkeiten existieren nebeneinander und werden vor allem von den europäischen rechtspopulistischen Bewegungen politisch aktiviert, die anti-feministisch, (ethno)nationalistisch und maskulinistisch sind. Die Untersuchung männlicher Körper im Kontext nationaler Politik ist daher unerlässlich, um den genderisierten Körper als Ort politischen Handelns zu verorten und sichtbar zu machen, wie Männlichkeit/Maskulinismus eine grundlegende Rolle in der politischen Arena spielt.

11:00 UHR

Kaffeepause

11:30 UHR

Parallele Panels und Workshops

Workshop 3: Denkwerkstatt: Zum verändernden Potential feministischer Arbeitspraxen in Beratungs-, Therapie- und Bildungskontexten [DT]

RAUM 2

Leitung: Sandra Eck, Alexandra Rau, Nina Reggi-Graßl, Marlene Roiser [abgesagt] und Maria Schmitter, München

Was eint feministische Berater*innen, Therapeut*innen, Sozialarbeiter*innen und Dozent*innen/Lehrende? Sie alle berücksichtigen Geschlecht als konfliktbehaftete Strukturkategorie in ihren Arbeitskontexten, sie operieren innerhalb zwischenmenschlicher Interaktion und verfolgen den Anspruch mittels Wissenstransfer Machtverhältnisse zu bewegen. Beratend, lehrend, unterstützend, eingreifend oder richtungsweisend versuchen sie in ihrer täglichen Arbeitspraxis Widerstand gegen patriarchale Logiken zu leisten. Fasst man den Bewegungsbegriff weit und bezieht auch Widerstandsformen mit ein, die zwar nicht auf der Straße zum Ausdruck gebracht werden, aber das politische Anliegen verfolgen, sozialen Wandel zu erwirken, lassen sich auch all jene Akteur*innen als Teil einer feministischen Bewegung begreifen, die in genannten Tätigkeitsfeldern auf Veränderung abzielen.

Feministische Beratungs- und Therapieansätze sind dabei nicht neu. Bereits seit den 1970er Jahren, entstanden während der zweiten Frauenbewegung und den sogenannten Consciousness-Raising-Gruppen, gehören sie heute zum festen Repertoire therapeutischer Maßnahmen, wenn sie auch immer noch unterrepräsentiert sind. Auch die Soziale Arbeit blickt auf ein differenziertes Feld geschlechtertheoretischer Perspektiven zurück und nicht zuletzt im Hochschulkontext haben antidiskriminierende Lehr-Lern-Konzepte Einzug in Weiterbildungsprogramme erhalten. Nichtsdestotrotz gehört das Miteinbeziehen und Hinterfragen von Subjekt-Struktur-Zusammenhängen nach wie vor nicht zum Mainstream innerhalb der hier aufgeführten Arbeitskontexte, sondern wird dort nur von einigen wenigen – meist explizit als feministisch gelabelt – praktiziert.

Die offene Werkstatt soll dieser Nischenperspektive Raum geben. Wir wollen mit diesem Format einen gemeinsamen Ort des Austauschens, der Bestandsaufnahme und Vernetzung schaffen. Ausgehend von den jeweiligen alltäglichen Berufserfahrungen und Praxen wollen wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten, Synergieeffekte sowie gängige Fallstricke der einzelnen Arbeitsbereiche debattieren und schließlich konstruktiv in die Zukunft denken: Wie können feministische Ansätze in Beratungs-, Therapie- und Bildungssettings anhand welcher konkreter Methoden möglicherweise kollektiv weitergeführt werden, um sowohl individuelle Lebenssituationen zu verbessern als auch soziale Ungleichheitsverhältnisse zu verändern. Das Format folgt dabei dem Prinzip der Un-konferenz, und lädt alle ein, die interessiert sind oder selbst etwas beitragen möchten.

Workshop 4: Self, Bodies and Decisions: A Circle on Abortion Stigma [EN]

RAUM 1

Leitung: Teresa Melo, Lissabon, und Zofia Reznik, Wrocław

In verschiedenen europäischen Ländern wird der Zugang zur Abtreibung eingeschränkt und sehr oft wird erwartet, dass sie eine private Angelegenheit bleibt. Ein Kreis, eine aus der schamanischen Tradition stammende Transformationspraxis, ist ein Gesprächsformat, bei dem alle Stimmen gleichberechtigt sind und gehört werden. Wir möchten einen Abtreibungskreis mit persönlichen Erzählungen vorschlagen, der von einer Veranstaltung inspiriert ist, bei der Künstler*innen, die sich mit dem Thema Abtreibung beschäftigen, ihre Geschichten zusammentragen, begleitend zur Ausstellung „Yesterday’s Dreams Weave the Ruins of Tomorrow’s Temples“ von Beata Rojek und Sonia Sobiech (66P Gallery, Wrocław, Polen, 2022).

Wir möchten dazu ermutigen, dass verschiedene persönliche Erzählungen zum Thema Abtreibung – als persönliche, relationale oder soziale Erfahrung – in einem sicheren Raum von Zuhörer*innen zur Sprache kommen. Wir möchten nicht nur einen Kreis veranstalten, in dem eine Vielzahl von Stimmen ohne Wertung gehört werden kann, sondern auch uns als akademische Gemeinschaft dazu ermutigen, einen kollektiven Einblick in unsere Positionen und das Verhältnis von Recht und kultureller Praxis zu gewinnen.

Das Thema dieses Kreises wäre daher die Stigmatisierung der Abtreibung und die Verkörperung transnationaler feministischer künstlerischer Praktiken, deren Stärke sich überraschend von dem unterscheidet, was man aufgrund der Rechtssysteme der einzelnen Länder erwarten könnte. Wir glauben, dass ein solcher Austausch von gelebten Erfahrungen eine Gelegenheit ist, einen Raum für einen transkulturellen Austausch von Geschichten von sehr bewussten Individuen zu schaffen. Wir möchten auch, dass dieser Kreis eine Gelegenheit bietet, sich gemeinsam im geschlechtsspezifischen Feld der Abtreibungserfahrungen zu bewegen, ihn so inklusiv wie möglich zu gestalten und ihn gleichzeitig zu einem sicheren Raum für diejenigen zu machen, die ihre Abtreibung als gelebte Erfahrung haben/hatten.

Wir möchten auch unsere Erfahrungen und Fähigkeiten mit den Teilnehmer*innen der Veranstaltung teilen und sie ermutigen, dieses Format wiederzuverwenden: zu replizieren, anzupassen und in ihren verschiedenen Communities erneut anzuwenden.

13:00 UHR

Wrap-Up [EN]

SAAL

Moderation: Agnieszka Balcerzak und Birgit Erbe, München

Abschlussdiskussion mit Kommentaren von Beate Binder (Berlin), Silvy Chakkalakal (Zürich) und Olga Reznikova (Innsbruck) und Präsentation der künstlerischen Dokumentation von Sophia O’David und Priscillia Grubo (München)

13:45 UHR

Ende der Tagung